Nach dem Platzen der dot-com-Blase war die Life-Sciences-Branche – dank jahrelangem, starken Wachstum und positiven Markt-Entwicklungen – plötzlich der Bereich zur Geldanlage für Risikokapital-Anleger. Allerdings ist dieser Sektor heute an einem gewissen Punkt der Stagnation angekommen, stets auf der Suche nach dem Durchbruch zu nächsten großen Welle.

Viele der großen Player in diesem Bereich bekommen bereits einen Hauch der weltweiten Wirtschaftsabkühlung zu spüren, dazu Druck durch Regulierungsbehörden und auslaufende Patente. Das Damoklesschwert für die Life-Sciences-Branche ist allerdings die wachsende Talent-Krise.

Talent-Krise kommt wenig überraschend

Noch vor kurzem wurde die Talent-Krise von vielen führenden HR-Spezialisten als bloßes Modewort abgetan – erschaffen von der HR-Community, um mehr Budget und Ressourcen beantragen zu können. Doch jetzt, wo dieses Problem tatsächlich begonnen hat, die Produktivität zu mindern und die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden, hat die Talent-Krise endlich ihren Weg in die Vorstands-Etagen geschafft. Die Hauptgründe sind eine alternde Belegschaft, ein Mangel an neuen qualifizierten Talenten und deren gemeinsamer Einfluss auf die Life-Sciences-Branche.



Eine Studie von JLL schätzt, dass in den nächsten fünf Jahren rund 2 Millionen der derzeit beschäftigten technischen Fachkräfte sowie Führungskräfte aus dem mittleren bzw. Top-Management in den Ruhestand gehen werden, was zu einer circa gleich großen Anzahl an offenen Stellen führen wird. Wenn man bedenkt, dass die Life-Sciences-Branche vor allem von talentierten Individuen aus den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Maschinenbau und Mathematik (kurz "STEM" für science, technology, engineering, math) abhängig ist, so folgt daraus, dass die jährliche Anzahl der STEM-Absolventen in den wirtschaftsstarken Staaten schlichtweg nicht hoch genug ist, um diese Lücke zu füllen. Wohlgemerkt ist hier von einem Erreichen des Break-Even-Points die Rede; von einem überschreiten, um tatsächlich auch Wachstum anzutreiben, ganz zu schweigen.

Kampf um STEM-Talente geht über die Branche hinaus 

Hinzu kommt, dass die Life-Sciences-Branche natürlich nicht exklusiv um die STEM-Absolventen buhlt - Finanzsektor,  Ingenieurswesen und Chemie-Unternehmen benötigen ihr Personal aus dem selben Talent-Pool. Und über Allen thronen verlockende Tech-Giganten wie Google, die schon allein durch die generell höhere Attraktivität der Internet-Branche für Absolventen einen leichten Vorteil haben.



Kurz gefasst: Ohne die Implementierung eines strategischen Talent-Management-Plans ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die meisten Life-Science-Unternehmen durch den sogenannten "Braindrain" - das Abwandern von hochqualifizierten Arbeitskräften ohne entsprechende Nachbesetzung - handlungsunfähig wiederfinden.

Gemeinsam eine aussichtsreichere Zukunft aufbauen

Wenn es darum geht, den Mangel an STEM-Talenten anzugehen, können wir zum Glück bereits eine Reihe an Gegenmaßnahmen beobachten, um das Interesse junger Menschen an STEM-Themen sowie den daraus resultierenden Karriere-Möglichkeiten zu wecken. In den USA wurde kürzlich ein 240-Millionen-Dollar-Investment von der Regierung sanktioniert, mit dem Ziel Studenten für STEM-Studiengänge zu begeistern. Die Life-Sciences-Branche hat sich diesem Unterfangen über die Jahre hinweg angeschlossen, indem STEM-Anreiz-Programme von Universitäten bis hin zu Grundschulen gesponsert wurden. Das Rückgrat dieser Interessenvertretung bilden dabei wohlbekannte Namen wie Novartis, GlaxoSmithKline, Eli Lilly, Baxter, GE Healthcare und andere.

STEM-Talente trotz begrenzter Ressourcen für sich gewinnen

In die Zukunft zu investieren ist eine großartige Idee. Bevor man allerdings die Früchte des Erfolges ernten kann, wird eine gewisse Zeit vergehen. Wie kann man bis dahin – trotz limitierter Ressourcen – einen soliden Zufluss an Talenten sicherstellen? Unser Ratschlag: Die Zielgruppe verstehen und das bieten, was die gewünschten Talente wirklich wollen.

Wann hat Ihr Unternehmen zum letzten Mal die eigene Arbeitgebermarke kritisch hinterfragt? Wussten Sie, dass STEM-Talente – noch vor allen Kriterien – besonders viel Wert auf "ein kreatives und dynamisches Arbeitsumfeld" legen? Und wie wichtig ihnen eine gute Work-Life-Balance ist? Über welche Kanäle sie bevorzugt kommunizieren? Das sind nur einige von vielen Fragen, die sich jede HR-Führungskraft stellen muss, bevor man eine gesamtheitliche Employer-Branding-Strategie entwickeln kann, die dem Unternehmen dann zu einem Wettbewerbsvorteil im Kampf um die am stärksten umworbenen Talente verhilft. Nur so wird man verstehen, das Google nicht aufgrund der Ping-Pong-Tische oder der kostenlosen Kantine zum Top-Talente-Magnet geworden ist.

Entscheidende Talente auf die Überholspur setzen

Die Talent-Krise ist ein Kampf an zwei Fronten. Die Life-Sciences-Branche verliert eine große Anzahl an erfahrenen Arbeitskräften, insbesondere in den obersten Positionen. Essentielle Führungspositionen nachzubesetzen wird dadurch wichtiger denn je. Eine von uns empfohlene Maßnahme ist daher die Platzierung entscheidender Talente auf der "Überholspur": Schlüsselrollen im Unternehmen identifizieren, High Potentials aussieben und diesen einen beschleunigten Karriereweg anbieten, was diese in kürzester Zeit von Mitläufern zu Führungskräften formt. Gleichzeitig muss man allerdings auch die Hintergründe, Motivationen, Verhaltensweisen und Begabungen, welche diese Top-Talente zu dem machen, was sie sind, verstehen lernen – und diese Informationen dazu nutzen, um einen Daten-getriebenen Beschaffungs- und Rekrutierungs-Prozess für den Aufbau einer "Talente-Pipeline" voranzutreiben. Richtig umgesetzt, führt dies nicht nur zu einem fließenderen Übergang in der Nachbesetzung; es hilft dem Unternehmen auch dabei, seine besten Mitarbeiter zu halten.

Um hier zu einem positiven Fazit zu kommen: Die Talent-Krise muss Ihr Unternehmen nicht zwangsläufig negativ beeinflussen, solange Sie die richtige Konter-Strategie in der Hinterhand haben. Was für andere Unternehmen eine Krise bedeutet, kann für Sie sogar die perfekte Möglichkeit für einen Wettbewerbsvorteil sein: indem Sie Rekrutierungs- und HR-Modelle schneller entwickeln als Ihr Mitbewerb.

Über den Autor

Tania de Decker

Global Director Life Sciences

Als Kontaktperson zu allen Betreibergesellschaften der Randstad Gruppe, leitet Tania de Decker die erfolgreiche Erstellung und Implementierung der weltweiten Life Sciences Strategie von Randstad, um die Profitabilität weltweiter Kunden zu gewährleisten und Kundenbeziehungen auf Top-Ebenen zu managen.

Basierend auf 18 Jahren Recruiting-Erfahrung hat sich Tania de Decker in den letzten sechs jahren auf Life Sceinces spezialisiert, stets mit dem Fokus, die Qualität der Rekrutierungsmaßnahmen ihrer Kunden zu verbessern. Zudem unterstreicht ihre nachgewiesene Erfolgsbilanz an erfolgreichen Kostenreduktionen für Kunden - bei gleichzeitiger Erhaltung von Qualität, Risk Management und Fähigkeit auf Chancen am Markt zu reagieren - ihre Position als globale Expertin im HR-Bereich.